Dienstag, 3. März 2015

Weihnachtsmarkt 2. Versuch.





Nachdem der Besuch für mich gründlich in die Hose ging, wollte mein Schatz mir eine Freude machen und diesen Tag nachholen.
Wir verabredeten uns mit einem befreundeten Pärchen und gingen extra zu einem anderen Weihnachtsmarkt.

Ich trank Fliederbeerpunsch, die anderen Punsch mit Schuss. Ich hatte keine Beschwerden, fühlte mich gut. Es gab keinerlei Anzeichen, dass irgendetwas nicht stimmte.
Die Freunde wussten auch Bescheid über  unserer Behandlung.
Als ich dann Fliederbeersaft trank und das Gesicht verzog, fragten sie lieb und vorsichtig nach …und wir bestätigten, das es wieder geklappt hat und wir sehr glücklich darüber seien. Wir würden aber beide mit beiden Beinen fest auf dem Teppich bleiben und wüssten, da die Gefahr ja noch nicht vorüber sei. Wir wären auf alles gefasst.

Was man immer so vor sich hin sagt und vor allem glaubt man auch was man sagt.
Bis es anders kommt. Aber solch Geschichten schreibt nur das Leben. Und die sind teilweise knallhart.

Wir stießen mit unseren Bechern auf unser Glück an und natürlich freuten unsere Freunde sich für uns. Sie kannten ja auch schon das erste Drama.
Ganze 20 min. waren wir erst auf dem Weihnachtsmarkt.
Während wir noch lachen und so reden merke ich, das irgendetwas läuft.
Ich will nicht gleich alle verrückt machen. Wir wollten eh grad weiter, also sage ich,ich müsse kurz auf Klo. Durch Zufall war gleich eine vor Ort, also rein da.
Ich hatte schon so ein Gefühl und zitterte und dachte noch so…lieber Gott bitte nicht…tu mir das bitte nicht wieder an…nicht schonwieder…und da war es wieder!
Alles voller Blut, viel mehr als bei der ersten Icsi. Ich schob gleich ne Kapsel Progesteron hinterher, wimmerte und war so schnell ich konnte aus dem WC draußen. Die anderen standen sich lachend unterhaltend vor dem Eingang. Bis ich da schreiend rausgelaufen kam. Mein Mann total geschockt gefragt was los sei , ich weinte nur schonwieder…schonwieder…es ist schonwieder passiert!!!
Unsere Freunde reagierten blitzschnell.. raus aus der Menschenmenge…zum nächsten freien Platz…Dank Taxi App, schnell Taxi geordert.
Weinend und geschockt standen wir von einer Minute auf die andere am Straßenrand.
Doch ich wusste es war vorbei. Ich fühlte es. Mir lief mitten auf dem Weihnachtsmarkt schon soviel Blut heraus,das ich allen Ernstes vor allen Leuten mitten im Gemenge durch die Jeans durchblutete. Ich fühlte mich einfach nur erniedrigt und beschämt. Beschmutzt und von Gott verlassen. Das kam so plötzlich von einer Minute auf die andere so schnell, das es sich wie ein schlechter Traum anfühlte .Es war aber leider kein Traum. Es war ein war gewordener Alptraum.
Ich war so geschockt und bestürzt und ich schämte mich, allen den Abend verdorben zu haben.
Mein Mann und ich fuhren ins nächstgelegene Krankenhaus .Unsere Freunde fuhren auf unseren Wunsch hin nicht mit. Das wollten wir keinem antun.
Wir kamen beim Krankenhaus an, ich stand auf und es lief noch schlimmer als vorher, alles durch die Hose durch. Das werde ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen. Ich hab schon öfter davon gehört, das Frauen, so ihr Baby verloren haben durch so eine starke plötzliche Blutung. Ich habe nie an der Wahrheit gezweifelt. Aber es selbst erleben zu müssen ist noch einmal etwas ganz anderes.
Der Alptraum ging weiter.
Wir waren zwar im nächstgelegenen Krankenhaus angekommen, aber diese hatte keine Gynäkologie!!!!! Also riefen die kurzerhand einen Rettungswagen, der mich zum nächsten Krankenhaus fahren sollte. Wir hatten keine Krankenkassenkarte, kein Perso  und nix mit. Was soll man damit auch auf dem Weihnachtsmarkt?  Normalerweise…
Wir wurden trotzdem sehr nett behandelt.
Statt meinen Weihnachtsmarktabend nachzuholen und leckere Kleinigkeiten zu naschen und eine schöne Zeit mit meinem Mann und unseren Freunden verbringen zu dürfen, wurde ich nun mit Blaulicht quer durch die Stadt am Weihnachtsmarkt vorbei zum nächsten Krankenhaus gefahren. Und das 10min. nachdem wir feierlich verkündet haben, das es wieder geklappt hat. Ein unfassbar schlechter Film.
Mir liefen die Tränen übers Gesicht und ich konnte diesen Alptraum gar nicht fassen. Ich hatte ja noch nicht einmal Schmerzen! Gar nichts! Noch nicht einmal ein ziepen.
Ich wäre die letzte gewesen, die bei irgendeiner Ungereimtheit das Bett verlassen hätte.

Immer wenn ich die Sirene eines Rettungswagens höre, denke ich immer kurz “Gott schütze Dich“, das habe ich mir im Laufe der Jahre so angewöhnt.
Nun lag ich zum allerersten Mal selbst auf dieser Liege und die Sirene heulte.
Und ich hoffte, das diesmal irgend ein Mensch da draußen , der das hörte für uns ein liebes Wort nach „Oben“ schickte.

Außerdem kam ich mir wieder einmal unendlich bescheuert vor. Soviel Alarm
und soviel Gewese um wahrscheinlich „wieder nichts“ war ein schmerzhaftes Gefühl.
Aber unser Wunschbaby brauchte Hilfe, dafür wollten wir nichts unversucht lassen und dafür muss man sich eben so zeitnah wie möglich in ärztliche Hände begeben.

Es kam jegliche Hilfe für unseren absoluten Wunschkrümel zu spät. Im Gegensatz zur ersten Schwangerschaft, war auf dem Bildschirm vom Baby nichts mehr zu sehen. Keine embryonale Anlagen nichts. Es war alles innerhalb von den lächerlichen paar Minuten rausgespült.
Ich war wie versteinert. Mein Mann auch total geschockt.
Ich dachte an den widerlichen Typen, der mich so verbal angegriffen hatte und dachte, der könne ja nun zufrieden sein,das so was wie ich sich anscheinend wirklich nicht vermehrt. Ich hoffte ,er würde träumen ,was passiert ist und an seinem schlechten Gewissen zu Grunde gehen.
Ich musste noch ein paar Stunden dort bleiben, denn sie wollten wissen , ob ich irgendwelche Antikörper bilden würde. Es war mir zu dem Zeitpunkt völlig egal, blieb aus Vernunft aber trotzdem.
So lag ich die Zeit des Wartens in einem Krankenhausbett mitten auf dem Flur und ließ das ganze Jahr versteinert Revue passieren. Was hatten wir nur verbrochen, das dieses Jahr ,in dem wir uns nach 10! Jahren das Jawort gegeben hatten so unfassbar schlecht für uns lief.
Ich fing ganz leise die Melodie von Phillip Poisel zu singen und anzupassen…wie soll ein Mensch das ertragen, alle Tage zu flehn……ohne es einmal zu schaffen …dir in die Augen zu sehen…..dich in die Arme zu nehmen….wie soll ein Mensch das ertragen, auch den eigenen Mann so hilflos leiden zu sehn…
Wie soll ein Mensch das ertragen? .....schweigen
Wie soll ein Mensch das ertragen? .....schweigen


Wie versteinert summte ich vor mich hin,mein Mann und ich hielten die Hand des anderen.
Und dann hatte ich das Gefühl, es saßen kurzfristig drei Leute bei mir am Bett, keine Ahnung wer.
Irgendwelche lieben Menschenseelen oder Engel oder sonst irgendwas. So eine Art Schatten. Mir war das völlig egal. Ich war ganz ruhig. Ich kann das auch nicht erklären. Es klingt auch ziemlich ausgedacht, wie alles was ich bisher in meinem Blog schrieb- ich wünschte es wäre so!
Diese drei Wesen die ich glaubte irgendwie nebenbei wahrzunehmen, strahlten einfach nur Traurigkeit und Betroffenheit aus. Es war kein Gefühl von, Kopf hoch, eines Tages wird alles gut. Es war eher ein Gefühl von….es sollte so sein.. es ist sehr traurig, aber weil es eben nun auch zu spät sei, könne man einfach nichts mehr machen. Es ist jetzt so wie es ist, und das machte diese Wesen traurig und bedrückt.
Ich will auch nicht weiter darauf eingehen. Ich hab mit Esoterik auch nix am Hut.
Aber ich akzeptiere es schon und kann mir auch vorstellen, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die wir nicht erklären können. Warum auch nicht.
Viele glauben ja auch daran, eine Kinderseele zu empfangen ect. .Warum sollen dann nicht auch drei schattige Gestalten kurzfristig aus dem Konzept gebracht werden und an meinem Bett hocken um einfach Mitzufühlen.

Mal abgesehen von diesem seltsamen Moment merkte ich aber eine Veränderung in mir. Aus der verzweifelt flehenden und vor Seelenschmerz weinenden Schuschu wurde nachdem mir das schonwieder passiert ist ein Stein. Dabei ging es in erster Linie nicht darum,das wir unser Baby wieder verloren hatten ,sondern um die Art und Weise!
Ausgerechnet auf dem Weihnachtsmarkt kurz vor Weihnachten, meinem liebsten Fest??? Uns alles wieder zu entreißen, wofür wir so gekämpft haben?
Ich fühlte mich vom Schicksal dermaßen verschei…., das ich nur noch Spott für diesen schlechten Regisseur  dieses Horrorfilms übrig hatte. Ich war diesmal nicht von Trauer zerfressen sondern von Wut. Ich fragte mich immer wieder, warum auf so eine harte Art und Weise?
Hätte es nicht genügt im stillen Kämmerchen zu Hause mit meinem Mann festzustellen, das wieder etwas nicht stimmt? Wie wäre es mal mit Privatsphäre???
War das wirklich nötig, nach allem was wir dieses Jahr durch haben, solch eine Showeinlage daraus zu machen??? War es wirklich nötig das ich mitten auf dem Weihnachtsmarkt in einer Sturzblutung vor allen Leuten durch die Jeans durch unser Baby verlieren muss- SCHONWIEDER???
Das Schicksal ist nicht nur ein mieser Verräter, es ist manchmal das Allerletzte.

Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so wütend, noch nichtmal auf diesen dummen Vogel vom Weihnachtsmarkt.
Ich war so voller Wut, das ich zynisch Weihnachtslieder zu Hause sang.  Fröhöliche Weihnacht ÜBERALL!!! Und dabei rief ich Schatz, lass uns Plätzchen backen, es ist Weihnachten und rührte ziemlich übertrieben in den Töpfen rum…
Ich sagte zu meinem Mann ,komm lass uns Tanzen.. das Leben sei so wundervoll leicht und das Schicksal meine es nur gut mit uns….irgendwann hörte ich mit diesem Sarkasmus auf und trat gegen Türen und schlug mit Fäusten gegen die Wände. Ich rastete aus wie eine Verrückte. Nach 5 Minuten war der Spuk vorbei und ich ging zur Tagesordnung über. Ich hatte so eine unbändige Wut in mir, auch nach ein paar Wochen noch. Und immer wieder ging es nur und das eine! Nicht das wir unser Baby verloren haben , sondern wie!!!
Ich bin wirklich gläubig.aber ich war so was von wütend ,das ich sogar nach oben zischte “Hauptsache Dein Sohn steht immer wieder auf“!!!
(Dafür habe ich mich längst in mehreren Gebeten entschuldigt).
Ich bin nur ein Mensch kein Fabelwesen. Es tut eben einfach unfassbar weh und ich konnte mit diesem Schmerz nicht anders umgehen.

Darum  hoffte ich auch, dass die Feiertage bald endlich rum wären. Ich wollte das hinter mir haben.
Ich weiß nicht wie ich es schaffte Geschenke für Nichten und Neffen zu kaufen. Sie sollten nicht darunter leiden, das war der einzige Grund, warum ich schaffte mich aufzuraffen.
Es war so ziemlich das traurigste Fest, was wir je miteinander erlebt haben.
Als mein Mann mir Heilig Abend einen Engel in stillen Gedenken schenkte brachen wir beide in Tränen aus. Es war ein sehr schönes Geschenk, denn es brachte soviel zum Ausdruck. Das auch er sehr trauerte und litt, das auch dieses Baby, egal wie winzig ein Teil unseres Lebens ist und dazu gehört. Genauso wie das erste.

Es kam Sylvester und wir feierten nicht. Wir fuhren still und leise an die Ostsee an den Strand und waren umgeben von frischer Luft ,hatten ne Flasche Sekt dabei und schauten wie alle Feuerwerkskörper in die Luft schossen und genossen das große Feuerwerk.
Auf ein besseres glücklicheres Jahr 2015
Auf das wir schnell über alles hinwegkommen und nicht mehr diesen starken Schmerz in uns spüren.
Wir schossen ein paar Glücksraketen in die Luft, für jedes Baby eine und eine dritte für alles Gute was im neuen Jahr kommen mag.
Dann fuhren wir gemütlich nach Hause und aßen einen Berliner im Bett und guckten noch ein bisschen Sylvester TV.
Und ich schwor mir im nächsten Jahr mehr zu leben. Egal was das Schicksal noch für Bolzen für uns bereithält.
Ich möchte meinen Mann nie wieder so leiden sehen müssen!
Ich möchte für lange Zeit nicht mehr  so lange am Stück und immer und immer wieder so traurig sein müssen!

2014….
Es wird nie mehr sein wie es war!
Vergesst meinen Namen !
Vergesst wer ich war!!!!!
Au au  revoir!!!!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen