Dienstag, 3. März 2015

Der dumme dumme Doktor





Die paar Tage Urlaub waren nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ich musste mir ziemlich schnell eingestehen, dass er nicht die gewünschte Erholung gebracht hatte, wie erhofft.
Und so sah ich ein, dass es so nicht weitergehen kann. Ich war am Ende meiner Kräfte und ich wünschte mir Hilfe.

Tjia,es gibt Menschen, die gibt es gar nicht.
Zum allerersten Mal in meinem Leben wurde mir irgendwie alles zuviel. Ich brauchte eine kleine Pause.
Ich wünschte mir mal eine Runde auszusetzen auf diesem fu…. Lebenskarussel.
Das waren mir zu viele Umdrehungen.

Angst essen Seele auf.
Zu viele Baustellen.

Angst , niemals Mama werden zu dürfen.
Angst , dass das Geld nicht reicht.
Angst, die Icsis nicht mehr bezahlen zu können.
Angst ,sich wegen dem Kinderwunsch zu verschulden.
Angst dann unser Häuschen zu verlieren.
Angst krank zu sein, weil der eigene Körper nicht zu funktionieren scheint.
Angst vor einer weiteren Fehlgeburt.
Angst ,die Termine nicht mit den Dienstzeiten vereinbaren zu können.
Angst,das der Chef was merkt.
Angst dann die Arbeit zu verlieren.
Angst zuviel Zeit zu verlieren, weil mit 40 die Fruchtbarkeit in den Keller sinkt.
Angst vor dem was noch kommt und
mindestens genauso viel Angst vor dem was vielleicht nicht mehr kommt.

Völlig entkräftet offenbarte ich meinem Hausarzt meine Behandlung.
Erzählte von meiner erneuten Fehlgeburt. (Hatte auf natürlichem Weg auch schon eine!).
Ich weinte und erzählte alles. Die Behandlung, die Methoden und von der Hoffnung sowie meinem aktuellen Gemütszustand. Das mir alles über den Kopf wächst. Das die Arbeit mich zur  Zeit auffrisst, das ich mich den Anforderungen zur Zeit nicht gewachsen fühle. Das ich eine tiefe Angst in mir habe, das die unzähligen Überstunden und ständigen kurzen Schichtwechsel mein Prolaktinwert wieder so in die Höhe knallen, das ich gar nicht erst schwanger werde oder das Baby wieder verliere. Das ich aber nicht kündigen kann, weil ich ja das Geld für die Behandlung brauche und später für das Baby. Das ich eben aufgrund meines Alters hier und jetzt handeln muss und nicht für alles noch 10 Jahre Zeit bleibt. Das ich Angst habe, aufgrund der komplizierten Umstände meine Chance Mutter zu werden verpasse.
Das ich einfach manchmal nur einschlafen möchte und erst wieder aufwachen, wenn der ganze Sturm vorbei ist.

Alles was ich zur Antwort bekam war folgendes…
„Ich habe mir jetzt alle ihre Sorgen angehört und sehe auch ,das es ihnen alles andere als gut geht, jedoch stellt sich mir eine Frage, warum erzählen sie mir das alles? Ich kann auch nichts für sie tun!???!!?? …….Ich kann sie ja nicht auf ewig krankschreiben!

Er hatte mich völlig falsch verstanden. Oder er wollte mich nicht verstehen. Und das verstand ich wiederum nicht!
Mein Bruder hatte mich noch gewarnt. Ich solle ihm nicht die Wahrheit sagen ,ihm irgend eine Geschichte erzählen, damit er mich für ein paar Wochen aus dem Verkehr zieht.
Aber genau darum ging es mir ja nicht. Natürlich auch ein paar Tage Ruhe, jedoch nicht nur! Das war ja nicht die Lösung, ich fühlte ja, das ich Hilfe brauche. Ich sah es überhaupt nicht ein, mir irgendetwas auszudenken. Ich bin immergerade aus. Ich sage immer was ich denke, klingt nicht immer wie Musik, aber es ist eine sehr ehrliche Art. Und das wünsche ich mir auch von meinem Gegenüber .Außerdem darf man ja wohl von einem Arzt Empathie erwarten. HARR HARR:

Ich erklärte, dass das auch nicht mein Problem sei. Ich wünschte mir etwas, wo ich wieder Kraft tanken kann. Einen oder mehrere Lösungsvorschläge, die ich vielleicht vorlauter Kummer gerade selbst nicht erkennen kann. Eine Selbsthilfegruppe. Techniken, die es mir ermöglichen wieder klar zu denken, keine Medikamente. Irgendetwas, was ich tun könnte, um aus diesem Strudel wieder herauszukommen.
Das ich mir im Leben nichts antun würde, das er das bitte nicht falsch verstehen möge, ich jedoch immer öfter denke, wenn ich einfach einschlafe und nicht mehr aufwache… dann hätte ich keine Probleme mehr!!!

Seine antwort darauf….
…ich hatte mal einen 25 Jährigen Patienten, der hat sich nachher in den Kopf geschossen, da kann man nichts machen!!!!!?????

Ich halte generell nichts davon, wenn man sich auf eine Sache so versteift!!!
Auch diese ganzen Behandlungsmethoden unterstützt er nicht.
Die Fehlgeburten sagen doch alles!!!

Wie viele hilflose Kinder gebe es in Deutschland, um die sollte man sich zuerst kümmern und adoptieren!!!???!!

Man solle sich generell mal Fragen, warum man unbedingt ein Baby haben möchte?!! Man solle erst einmal herausfinden, ob man nicht eher versucht ein anderes Problem zu verlagern um z.B. ein HELFERSYNDROM auszuleben!!!???

DAS ALLES SAGTE MIR DER MÄNNLICHE HAUSARZT, DER GLEICHZEITIG IM HINTERGRUND DIE GANZE ARZTPRAXISWAND MIT DEN FOTOS SEINER DREI!!! GESUNDEN KINDER ZUGETACKERT HAT!!!!

Mit letzter Kraft wehrte ich mich gegen die Behauptung “Helfersyndrom“, indem ich erklärte, das das ja nun kein Phänomen sei einen Wunsch in sich zu tragen eine Familie zu gründen, dies liege doch in der Natur des Menschen!!!

Daraufhin bekam ich 2 Wochen „frei“ und fühlte mich nach diesem Arztbesuch noch viel kranker und schlechter als vorher. Ich wusste dass nur ein gelber Zettel nicht meine Probleme löst. Ich fühlte, ob ich zu Hause blieb oder Peng.
Ich fühlte mich einfach nur unverstanden nutzlos, wertlos, kraftlos.
Ich fühlte mich, als wolle man mir unterstellen, ein bisschen frei zu bekommen, damit ich meine Sachen regeln kann. Und genau so war es nicht! Ich bin alle 5 Jahre mal 2 Tage krankgeschrieben, sonst schleppe ich mich immer zur Arbeit in meinem mir selbstauferlegten Pflichtbewusstsein. Es kratzte an meinem Ego, weil es einfach nicht stimmte.
Eine ganze Woche verkroch ich mich im Dunkeln unter meine Decke. Aß kaum was, und fühlte mich elendich schwer im Herzen. Es sah so aus als Käme ich da nie wieder raus.
Zusätzlich machte ich mir noch solche Gedanken, warum der Arzt so schrecklich reagiert hat. Wie kann es angehen, das ich mich kranker fühle als vorher.
Wie kann es angehen, das solchen Menschen und anderen, wie z.B. der Exchef meines Schatzes immer wieder die Sonne aus dem Hintern zu scheinen scheint.
Hätten wir diesen Kinderwunsch nicht- hätten wir diese Probleme nicht.
Wir hatten das Gefühl wir ruinieren uns seelisch, körperlich, finanziell und beruflich für diesen einen großen Wunsch, ohne zu wissen, ob sich dieser eines Tages überhaupt noch erfüllt.

Wer von sich behauptet, dass man die Kinderwunschbehandlung im Vorbeigehen ohne Blessuren in der Seele wegsteckt, der ist diesen Weg einfach noch nicht gegangen…und ich stelle mir die Frage, warum ausgerechnet die, die in Sachen Verständnis die größte Nachhilfe benötigen, das ausgerechnet diesen Leuten solche Lektionen des Lebens erspart bleiben!
WTF!!!


Nach einer Woche schleppte ich mich zu einer Geburtstagseinladung, zu alten Bekannten, die wir über 10 Jahre nicht gesehen hatten.
Auf dem Weg dorthin bekam ich eine Nachricht von einer so genannten Freundin. Übrigens die gleiche, bei der wir uns rechtfertigen durften, warum wir denn unter diesen Umständen in den Urlaub fahren würden. SIE würde das auf gar keinen Fall machen. Richtig SIE. Aber ich bin nicht SIE. Ich bin ich und mit 40 wage ich es zu behaupten schon reif genug zu sein, eigene Entscheidungen treffen zu können!!!
Auf jeden Fall schrieb sie nur diesen einen Satz:
Herzlichen Dank für die Info das dein Mann wieder einen neuen Job hat!!!
Nachrichtenende.
Ich war fix und alle, hatte keine Kraft für solch sinnlose Vorwürfe, zumal mein Mann gerade mal lächerliche 4 Tage in der neuen Firma gearbeitet hat.
Ich weiß nicht, wie man sich in den Augen der Menschen an Ansehen verliert, wenn man mal so traurig ist wie zu diesem Zeitpunkt. Auf jeden Fall sind es Menschen, die sich an den Problemen anderer aufwerten, in dem sie gebraucht werden. Wenn man dies dann nicht in vollem Umfang nutzt, sind sie auch noch beleidigt. Ich definiere Freundschaft definiv anders. Und es war eine Frechheit, was sie da schrieb. Nur an diesem Abend hatte ich weder Nerv noch Kraft für Kontra. Sie bekam ein paar Tage später ihr Fett weg von mir. Irgendwann reicht es auch mal everybodys Depp zu sein. Es bedurfte zwei auf den Punkt gebrachte kleine Sätze, dann war sie ganz klein mit Hut.
Lassen wir das. Ich könnte ganze Bücher mit nicht so schönen Dingen füllen.
Aber das gehört hier nicht her. Wie gut das ich wirklich viele Liebe und echte Freundschaften pflege und das nicht alles ist, was ich an sozialen Kontakten habe.

Auf  der Feier angekommen  brach ich dann auf die Frage wie es mir geht in Tränen aus.
Und da waren in diesem Gespräch zwei so easy leichte und unkomplizierte Ideen, wie man das ganze Drama abmildern könnte, das ich es auf einmal sah… ein kleines Licht der Hoffnung. Das war alles was ich benötigte, um wieder etwas Leben in meinen Körper strömen zu lassen.
Es war zwar nicht alles wieder gut, aber ein paar von den schweren Steinen auf meiner Seele wurden durch ein einfaches Gespräch weggeräumt und ich konnte endlich mal wieder etwas freier atmen.

Wenn Du die Ruder deines Lebens verlierst und dein Lebensschiff unkontrolliert durch die Gegend schippert,  sorge dafür, das du wieder der Kapitän deines Lebensweges wirst und nicht andere dich in eine Richtung rudern, in die du gar nicht möchtest.
Es ist völlig egal auf welche Art von A-Löchern du im Leben triffst, solange du dein Lebensruder in der Hand behältst und wenigstens ein Stück weit selbst bestimmst was mit dir passiert und was nicht.
So nahm ich meine Lebensruder wieder selbst in die Hand.
Ich hielt sie nur fest, nichts weiter. Und endlich hörte ich auf mich in Höchstgeschwindigkeit im Kreis zu drehen. Allein, das war schon eine Wohltat.
Und ich ließ mir Zeit soviel ich wollte und mir sicher war, in welche Richtung es weitergehen sollte.
Noch so viele Dinge gingen schief und taten weh. Und noch so viele unglaubliche Dinge passierten in den wenigen Wochen. Die Pechsträhne riss einfach nicht ab.
Aber es gab einen Unterschied zu vorher.
Ich versuchte Tagesformabhängig mich gegen das seelische Ertrinken zu wehren. Mein Lebensboot schaukelte wie wild und es war eine der stürmischsten Fahrten meines Lebens – viele Wochen lang.
Aber ich kenterte nicht mehr!
Und ich nahm auch niemanden mehr in diesem Boot mit, der mir nicht gut tat .

Und dann irgendwann  ruderte ich ganz langsam los, mit neuem Mut und Hoffnung auf den Weg zu unserer nächsten ICSI.

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