Montag, 2. Februar 2015

Der echte Alptraum



Es war an einem Sonntag…


Wir fuhren nach einem Spaziergang an der Ostsee noch einmal in unsere Hochzeitskirche zum Gottesdienst und natürlich bedankten wir uns im Stillen für alles.

Dieses Progesterongel sucht sich ja nun auch mal irgendwann seinen Weg wieder nach draußen und so dachte ich mir nichts bei dem Gefühl, das da etwas „herauslief“.



Im Anschluss an die Kirche wollten wir schön zum Griechen Essen gehen und machten uns dementsprechend auf den Weg.

Wir bekamen die Speisekarten und ich sagte meinem Mann,er solle sich schon mal etwas aussuchen ich ginge nur kurz schnell wohin.



Auf Toilette traf mich dann der Schlag!

Es war nicht das Progesterongel, was herauslief!

Ich blutete und geriet in absolute Panik.

Ich rannte die Treppen hoch und erklärte panisch meinem Mann, dass wir sofort ins Krankenhaus müssen!!!

Beide geschockt verließen wir fluchtartig das Restaurant und fuhren so schnell es ging in das nächste Krankenhaus.

Ich weinte und schmiss gleich noch einmal Progesteron in Kapselform  hinterher, einfach für das Gefühl irgendwie von außen Helfen zu können.

Mein Mann fuhr sehr schnell, doch die Fahrt  kam mir trotzdem wie eine Ewigkeit vor.

Im Krankenhaus angekommen wurden wir trotz Bereitschaftsbesetzung sehr nett empfangen und brauchten auch nicht so lange zu warten.



Dann auf dem Stuhl, die üblichen Untersuchungen wo die Blutung überhaupt herkommt.

Sie kam nicht aus der Gebärmutter und sie sei auch laut Ärztin  schon wieder abgeklungen.

Das sei schon mal gut! AUFGEATMET!

Dann Ultraschall. Mein Mann und ich krallten unsere Hände ineinander voller Angst vor einer schlimmen Nachricht.

Und dann ging es zu wie in einem Horrorfilm.

Immer wenn die Ärztin, die Gebärmutter auf dem Bildschirm vergrößern wollte, verschwand das ganze Bild!!! Ein schwarzer Bildschirm!!! Das ging ein paar mal so! Ich fragte ob das öfter vorkommt? Die Ärztin erklärte, dass sie das ganz ehrlich noch nie erlebt hätte und entschuldigte sich.

Es funktionierte nicht, egal wie oft sie es versuchte!

Dann fuhr sie allen ernstes das ganze System runter und lud es noch einmal hoch um diese „Störung“ eventuell beheben zu können.

Unsere Hände waren immer noch vor Angst fest ineinander gekrallt.

Es war ein einziger Alptraum und eine so unrealistische Situation, das man dachte dies kann unmöglich war sein!

Nach dem „System aus an Versuch“ funktionierte das ganze Ding endlich wieder! Was für ein seelischer Stress.

Und da war das Kügelchen!!!

Fruchthöhle schön rund, wenn auch n bitten lütt- aber das war ja bekannt.

Baby noch da. Gott sei Dank! Alles soweit in Ordnung!

AUFGEATMET!!!

Mein Mann war sehr erleichtert- ich aber nicht!!!

Warum?

Ganz einfach. Ich war zwar froh Baby noch da usw. aber etwas stimmte nicht, das fühlte ich. Es fehlte etwas. Etwas was man zum Leben braucht.

Es war der Herzschlag, den ich am Monitor nicht erkennen konnte.

Das umwerfende kleine Flackern unseres großen Wunders.

Und dann fragte ich, ob sie einen Herzschlag sehen könne?

Momentan nicht…aber das könne mal vorkommen, dass man das noch nicht sieht, das müsse nichts heißen.

Ich klärte die Ärztin auf, dass dieser in anderen Untersuchungen schon festgestellt wurde.

Daraufhin ein …achso…. und dann suchte und suchte und suchte sie wirklich mühevoll und gründlich.

Minutenlanges Schweigen. Zwischendurch Treffen sich die Blicke meines Mannes mit meinen, pure Angst in den Augen- die Hände noch immer ineinander gekrallt.

Die Ärztin stellt fest, sie könne den Herzschlag nicht feststellen, aber es sei auch ein sehr altes Gerät mit sehr undeutlichem Bild. Es sei durchaus möglich, dass alles in Ordnung sei – wir sollen uns erst einmal keine Sorgen machen.

Zumal ja auch alles noch da ist und nicht verformt ect…und die Blutung ja nun auch aufgehört hätte.

Ich fragte noch wie das angehen könnte? So ein veraltetes Gerät in einem UNIVERSTITÄTSKLINIKUM?

Sie erklärte, die Klinik habe kein Geld und nur ein hochmodernes Gerät dieser Art. Dies sei jetzt am Sonntag aber nicht zugänglich –ihr fehle der Schlüssel???

Grundsätzlich sei es auch so, dass die Frauen generell etwas weiter sind und die schlechte Auflösung, dann eben kein Problem darstelle, weil dann eben alles größer sei.

Wir sollten am morgigen Tag sowieso in die KINDERWUNSCHKLINIK.

Dort hätte man sicher die hoch auflösenden Geräte und wir sollten erst einmal die Hoffnung nicht aufgeben.

Mit diesen Worten wurden wir entlassen.

Keine Ahnung wie wir es geschafft haben ,die Nacht zu überstehen!!!

Wir wussten immer noch nicht ob unser Baby nun noch lebt oder nicht.



Montag, ein Tag nach der Blutung.

Kinderwunschklinik.

Nach vielen Tränen und der Erklärung was gestern passiert sei folgte die Untersuchung per Ultraschall.

Fruchthöhle noch da! Schön rund! Baby auch noch da!

Minutenlanges Suchen und Schweigen.

Ich frage schlägt das Herz???

„Kann ich so im Moment nicht erkennen, aber das kann mal vorkommen!!!

Die Hände meines Mannes und mir lösen sich, damit ich mich wieder anziehen kann. Der Doktor sagt, er hätte schon alles erlebt und er möchte mich übermorgen noch einmal sehen und wir nehmen auch Blut ab und dann sehen wir weiter. Es ist noch nicht vorbei.

Ich frage, kann es wirklich mal vorkommen, dass man den Herzschlag nicht findet?

Ja, das kann wirklich mal vorkommen!

Ich bleibe hartnäckig und frage weiter, aber normal ist es nicht oder???

Nein , normal ist es nicht…….

Übermorgen müssen wir etwas erkennen können, sonst handelt es sich nicht mehr um einen Zufall. Wir telefonieren heute Nachmittag und sprechen über die Ergebnisse…



Der Rückruf:



Die Fruchthöhle war noch einmal gewachsen. Der HCG Wert gestiegen.

Der Doktor meinte ich solle übermorgen wiederkommen und ich solle mich inzwischen auf alles einstellen, aber er möchte hier und jetzt noch nicht sagen, dass es vorbei sei, gerade weil er in all den Jahren schon alles erlebt hätte.



Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass ich mich rückwirkend betrachtet noch nie in meinem ganzen Leben ängstlicher und verzweifelter gefühlt habe.

Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie soviel geweint. Die Angst um unser Baby und die Vorstellung, dass es vielleicht nicht mehr lebt, zerriss mich.

Trauer und Verzweiflung kennt jeder, aber dieser Schmerz tat richtig echt weh. Ich hatte ganz schlimme und sich echt anfühlende Herzschmerzen und hielt es auch die ganze Zeit meine Hand drauf. Ich lief immer wieder in unserem Haus auf und ab und rief ganz laut verzweifelt „Lieber Gott, ich flehe Dich an! Bitte hilf uns! Bitte, wir haben solche Angst! Wir schaffen das nicht durchzustehen!

Bitte lass unser Baby leben, es hat es doch schon soweit geschafft!!!

Ich tu alles was Du willst! Vergib uns, was in deinen Augen vielleicht nicht richtig war, wir machen alles wieder gut!

Ich betete und flehte verzweifelt stundenlang, dass doch noch ein Wunder geschehen würde. Wirklich stundenlang, bis ich irgendwann kraftlos eingeschlafen sein muss.

Mein Mann hielt sich mit der Vorstellung der Hoffnung seelisch am Leben und quälte sich mindestens genauso wie ich.
Soviel zum Thema der dummen Idee,man könne sich auch nur ansatzweise auf so etwas vorbereiten.
Du liebst  dieses Kügelchen von Anfang an, ganz schlimm.
Da kommt auch keine Vernunft gegenan! 
Man bekommt eine leise Vorahnung davon,wie intensiv Mutter oder Vatergefühle eines Tages werden können.




Dienstag, zwei Tage nach der Blutung:



Am nächsten Tag hatte ich ursprünglich einen Termin bei meinem Frauenarzt.

Ich sollte meinen Mutterpass bekommen.

Ich wollte gar nicht erst hin, ging dann aber irgendwie doch. Mein Mann setzte beruflich alle Hebel in Bewegung mich begleiten zu können. Auch er wollte noch an ein Wunder glauben.

Wieder unter Tränen erzählt ,was passiert war.

Wieder Kontrolle Ultraschall.

Wieder war alles optisch in Ordnung.

Wieder waren Fruchthöhle und Baby unversehrt. Keine Blutung in Sicht.

Aber eben auch kein Herzschlag.

Auch nicht nach minutenlangem suchen.

Mein Mann drückte noch immer fest meine Hand als ich schon längst meinen Griff öffnete.

Einmal rief er kurz, da dort hat doch was geflackert!

Das tat mir so sehr weh, auch ihn so hilflos leiden zu sehen. Denn ich als Frau sehe solche Ultraschallbilder ja öfter und dadurch wusste ich leider auch, dass dies nur mein eigener Puls war, der für einen kurzen Moment sichtbar wurde.

Und so musste ich mir ein erneutes „es tut mir sehr leid“ anhören und zog mich wieder an.

Statt meinem Mutterpass erhielt ich die Papiere zur Ausschabung. Ich fühlte mich vom Schicksal absolut erniedrigt.

Ich hätte einen missed abort, mein Körper hätte noch nicht verstanden, dass es vorbei sei und hielt an dieser Schwangerschaft fest.

Man würde mir eine Woche Zeit geben, dann wäre eine OP sinnvoll.

Ich soll bei stärkeren Blutungen ins Krankenhaus, es bestünde die Gefahr, das ich verblute.

Trotzig antwortete ich, das sei mir jetzt gerade recht.

„Das meinen sie nicht so!“… war ihre Reaktion. Doch ich schwieg und  meinte es  zumindest in diesem Moment ganz genau so ,wie ich es gesagt habe.

Die Ärztin entgegnet meinem Mann, dass er gut auf mich aufpassen soll.

Schweigend, jeder in seiner eigenen Trauer gefangen, fuhren wir nach Hause.





Mittwoch, drei Tage nach der Blutung:

Termin Kinderwunschklinik



Wozu soll ich da überhaupt noch hin? Mein Mann bittet mich darum, er klammert sich an einen Krümel Resthoffnug. Ich tu ihm den Gefallen. Auch er hat das Recht es auf seine Weise zu realisieren.

Auf gefühlsduselige Hoffnungsphrasen reagierte ich allerdings extrem bissig.

Also wieder Kinderwunschklinik. Ultraschall.

Fruchthöhle noch da und schön rund. Baby auch noch da. Klingt bescheuert, aber das war trotz allem irgendwie tröstlich.

Keine Verformung. Keine weitere Blutung.

Allerdings auch kein Wachstum mehr.

Und entgegen aller Hoffnung kein Herzschlag mehr feststellbar.

„Es tut mir sehr leid, es ist vorbei“….

Und obwohl ich es längst wusste, taten die Worte des Arztes sehr weh.

Sich immer und immer wieder anzuhören, ihr Baby lebt nicht mehr war einfach to much.

Das sei richtig fies, schluchzte ich   .....wenn man den Herzschlag seines Babys entgegen aller Prognosen kennen lernen darf und dieses dann doch noch still und leise einfach wieder aufhört.

Wir haben soviel geweint, ich glaub, wie in unserem ganzen Leben nicht.



Meinen Chef anrufen zu müssen, dass ich nun nicht mehr schwanger bin gab mir den Rest. Er reagierte absolut verständnisvoll und fühlte mit uns mit. Ich solle mich in aller Ruhe erholen, mich aber bitte nicht verkriechen.

Genau danach war mir eigentlich, aber ich versprach mich zusammen zu reißen.

Er hatte so toll reagiert und trotzdem traute ich mich nicht, ihm die Kinderwunschbehandlung anzuvertrauen.







Eine Woche später wurde ich ausgeschabt.

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